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Abb. 1 (v.l.): Peter Stricker (Vi.p) Georg Scherer (Obstbauer), Markus Tscholl (Egma), Andreas Mair, Klaus Kapauer (A.L.S, federführender ­Organisator des Obstbauseminars), Othmar Clemeni (Obstbauer), ­Klaus Hölzl (VOG), Markus Prantl (A.L.S)

36. Obstbauseminar des Vereins der Absolventen landwirtschaftlicher Schulen Südtirols

Aktuelle Herausforderungen im Obstbau mit Klimawandel und steigenden Kosten

Ein Artikel von Kurt Werth | 08.05.2025 - 14:44

Das Obstbauseminar, das der Absolventenverein für Landwirtschaftliche Schulen (ALS) jährlich, organisiert, ist eine Wissensschmiede für engagierte Obstbauern. Im Sinne berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung, ist das Seminar immer wieder ein Ausloten der Probleme die gegenwärtig den Obstbauern unter den Nägeln brennen. An drei Tagen standen 26 Referate auf dem Programm. Beeindruckend, mit welcher Intensität, Begeisterung und Ausdauer, dort im fachlichen Rahmen, bis tief in die Nacht hinein diskutiert wurde.

Die Themen, die die Obstbauern derzeit bei konstant steigenden Produktionskosten und stagnierenden Obstpreisen am meisten berühren sind:

  • Tendenzen am Markt und die daraus erforderlichen Notwendigkeit einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Anbau und Vermarktung. Dazu wollte man vor allem lokale Stimmen aber auch Berichte aus dem restlichen Italien und dem Ausland hören (Frankreich, Piemont, Bodensee, Holland und Altes Land).
  • Die Künstliche Intelligenz (KI) hat auch im Obstbau Eingang gefunden. Neue Präzisionstechnologien in der Baumvermehrung, in der Obstanlage, bei der Ernte und Anlieferung in den Vermarktungsbetrieb finden steigendes Interesse. 
  • Die Baumerziehung, die schmale Fruchtwand und der Baumschnitt sind am Ritten ein Dauerbrenner.
  • Das Thema, das den Obstbauern am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist der Pflanzenschutz. Und das in mehrfacher Weise. Einmal machen, als Folge des Klimawandels, immer wieder neue invasive Schädlinge und Pilzkrankheiten Sorgen, und gleichzeitig wird die Liste der zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmittel von Jahr zu Jahr kürzer. Viele Zulassungen „guter“, auch umweltfreundlicher Wirkstoffe laufen aus und werden von den Herstellerfirmen nicht wieder neuregistriert. Es müssen laufend neue Anwendungsrestriktionen in Kauf genommen werden und von Jahr zu Jahr rettet man sich bald nur mehr über Notfallzulassungen über die Runden. Die Obstbauern sind mehr als besorgt. Dementsprechend hohen Stellenwert hat eine optimale Applikationstechnik.

Auszügen aus einigen Vorträgen

  • Zu den zukünftigen Herausforderungen für den Obstbau hat eine der größten Vermarktungsstrukturen Frankreichs „Blue Whale“ (Bruno Bartheloz) ihre eigene Vision: „Wir alle produzieren heute unter zunehmendem Druck: Klimatische Herausforderungen, Umweltrestriktionen und politische Einschränkungen erfordern mehr denn je visionäres Denken und Handeln. Das beginnt bei der Züchtung neuer Sorten und reicht über den Anbau, Lagerung Vermarktung, Einfluss beim Verteiler, bis hin zur Handelsmarke und dem Konsumenten. Neue Tendenzen auf dem Markt erfordern rechtzeitig angemessene Reaktionen. So stellen wir z. B. fest, dass der Frisch­markt-Konsum stark zurückgegangen ist, während verarbeitete Produkte beim Konsumenten zunehmendes Interesse finden. Wir haben die Hebel in der Hand – so der Referent – auf den Wert der Ware im Regal einzuwirken, den Konsumente positiv zu beeinflussen und europaweit über die großen Interessensvertretungen gemeinsam auf politischer Ebene zu intervenieren. Dazu braucht es aber auf allen Ebenen Engagement, Zusammenarbeit und im weitesten Sinne, eine „kritische Masse“.
  • Die Rivoira-Gruppe aus Piemont (Marco Rivoira), setzt vordergründig auf Diversifizierung: Diverse Kulturen (Apfel, Birnen, Kiwi, Kirschen, Beeren), technische Beratung, eigene Verteilerorganisationen für Betriebsmittel, Lagerhäuser, modernste Sortieranlagen, kapillare Verteilernetzwerke und In-house Logistic Departments. Im weitesten Sinne unter dem Motto: „Do everything yourself“. Beim Apfel ist die Rivoira-Gruppe Mitglied der Clubs: ‚Ambrosia‘, ‚Crimson Snow‘ und ‚Kissabel‘ und hat kürzlich das weltweite exklusive Sortenerneuerungsprojekt „Sambóa“ mit den drei Sorten: ‚Luzia‘, ‚Venice‘ und ‚Isadora‘ angestoßen. Sorten aus dem Züchtungsprogramm von EPAGRI in Brasilien. Mit Sambòa verfolgt die Gruppe eine Markenstrategie dreier (früh bis spätreifender) Sorten über eine Absatzperiode von 12 Monaten. Mit dem Ziel: 4.000ha weltweit, 40% davon in Europa, 20% in Nordamerika und 40 % in den Anbaugebieten der Südlichen Hemisphäre anzubauen. Die Sorten sind Glomerella-resistent und eignen sich insbesondere für Anbaugebiete mit Hitzeproblemen. Für die kün­ftige Sortenentwicklungen spricht sich der Referent für die Cis-Genetic aus. Für geeignete Rahmenbedingungen ist die Politik gefordert.
  • Über die Lage am Bodensee berichtete Tim Strübing, Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft  „Obst vom Bodensee“. Aus südtiroler Sicht, mit seinem rigorosem nahezu ­flächendeckenden Genossenschaftssystem, drei Erzeugerorganisationen und Anlieferungspflicht des Mitglieds, ist das Vermarktungssystem am Bodensee nicht immer einfach überschaubar. Nicht nur geographisch, auch klimatisch liegt der Bodensee in etwa zwischen Altem Land und Südtirol. Der Fokus in der Vermarktung liegt im Inland und beim LEH (85% des Umsatzes). Bei der Suche nach den „Best-Performern“ unter den Apfelsorten hat man ein interessantes Bewertungsschema eingeführt, mit Bewertungskriterien in der Produktion, am Obstgroßmarkt im Vertrieb und im LEH. Das entsprechende Ergebnis kann folgend zusammengefasst werden:

Die am besten abschneidenden Sorten weisen allesamt gute Werte in Tonnage/ha, packout und store-life auf. Altbekannte „Brotsorten“ (‚Boskoop‘, ‚Braeburn‘, ‚Elstar‘, ‚Gala‘, und ‚Jonagold‘) weisen mitunter eklatante Mängel im Bereich Klimaresilienz, Hitzeresistenz sowie packout auf. Es besteht dringender Handlungsbedarf, alte- und unwirtschaftliche Sorten zu roden. Die Notwendigkeit der Entwicklung resilienter und zukunftsträchtiger neuer Sorten ist unverkennbar. Dabei ist auch die Einbindung des LEH in der Sortenwahl zwingend notwendig. Es müssen robuste neue Sorten eingeführt werden (z. B. ‚T133‘, ‚Cosmic Crisp‘, ‚Stellar‘). Gleichzeitig sollen neue Sorten „hinten raus“ die Lücke schließen. Ein kurzfristiger totaler Ausschluss der „Brotsorten“ ist kein unmittelbares Thema, aber interessante Sorten in der zweiten Reihe (‚Pinova‘, ‚Kanzi‘, ‚Fräulein‘ und ‚Spritzle‘) verdienen mehr gefördert zu werden. Am Bodensee „gibt es einiges aufzuräumen!“.