(v.l.): Josef Plank (Generalsekretär der LK Österreich), Hedda Eggeling (Studienautorin von Steward Redqueen), Christian Stockmar (Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz) © IndustrieGruppe Pflanzenschutz
Um dem in der EU diskutierten Umstieg vom risikobasierten auf den gefahrenbasierten Ansatz bei der Bewertung von Pflanzenschutzmittel bzw. deren Wirkstoffen mit wissenschaftlichen Argumenten entgegentreten zu können, präsentierte die LK Österreich gemeinsam mit der Industrie Gruppe Pflanzenschutz (IGP) die Ergebnisse einer von der European Crop Protection Association (ECPA) beauftragte Studie. Diese untersuchte die Auswirkungen des Verlusts von 75 (von den insgesamt rund 400 zugelassenen) Wirkstoffen. Sie würden aller Voraussicht nach bei dem Umstieg auf die gefahrenbasierte Zulassung von Pflanzenschutzwirkstoffen nicht mehr verwendet werden dürfen.
Untersucht wurden 7 Hauptkulturen (Kartoffel, Gerste, Mais, Weizen, Zuckerrübe, Raps und Weintrauben) und 24 Sonderkulturen (z. B. Zitrusfrüchte in Spanien etc.) in neun europäischen Ländern (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen, Spanien, Italien, Niederlande, Irland und Österreich). Insgesamt werden damit 49% des Ernteertragswertes des gesamten EU-Marktes abgedeckt. Die Analyse beruht auf einem Durchschnittswert der Jahre 2009–2013.
Ernte- und Qualitätseinbußen als Folge
Studienautorin Hedda Eggeling von Steward Redqueen, einer niederländischen Unternehmensberatung, präsentierte die Ergebnisse der Studie: Neben Ernterückgängen, einer schlechteren Qualität der Lebensmittel und der Gefährdung von Arbeitsplätzen würde auch der Selbstversorgungsgrad deutlich sinken. Im Detail wurden für Österreich – beim Verlust der 75 Wirkstoffe – Ernteeinbußen bei Weizen, Gerste, Kartoffeln, Mais und Trauben zwischen 10 und 25% errechnet. Bei Zuckerrüben wäre mit Ernteverlusten von 35% zu rechnen. Insgesamt kommt die Studie auf einen Minderertrag in Österreich von 2 Mio. t und rund 412 Mio. €/Jahr. Mit den Ernterückgängen verbunden wären steigende Produktionskosten von bis zu 10%/ha, bei der Zuckerrübe würden sie sich sogar verdoppeln. Die höchsten Umsatzeinbußen für Österreich wurden bei der Weintraubenproduktion in der Höhe von 118 Mio. € errechnet, warnte die Expertin.
Sinkende Gewinne der Landwirte wirken sich auf die Wirtschaftlichkeit und die Anzahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft aus (von den insgesamt 61.000 Arbeitsplätzen in Österreich wären laut der Studie bis zu 30.000 gefährdet). Außerdem riskiert die EU mit dem Verlust der Wirkstoffe die eigene Selbstversorgung mit Weizen, Gerste, Kartoffeln und Zuckerrüben. Bei Raps und Mais würde der Import massiv ansteigen. Um die Ernährungssicherheit in Europa zu gewährleisten, müssten zusätzlich 9 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche bebaut werden, was in etwa der Größe Ungarns entspricht.
Beweislastumkehr im Pflanzenschutz schafft nur neue Probleme
LK Österreich-Generalsekretär Josef Plank verwehrt sich gegen die faktische Beweislastumkehr durch PSM-Zulassungen nach dem Gefahrenprinzip. „Nach diesem Ansatz müsste auch das Autofahren verboten werden, da es nachweislich Menschen Schaden zufügen kann; sowohl jenen, die es fahren, als auch jenen, die es nicht fahren. Andererseits hat die Reduktion der Wirkstoffe eine schnellere Bildung von Resistenzen zur Folge. Wir sollten uns deshalb bei der Entscheidung, den Pflanzenschutz noch verträglicher zu machen, nicht von Emotionen, sondern von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten lassen“, stellte Plank fest.
Die Landwirte brauchen wirksame Mittel um den Herausforderungen des Klimawandels in Zukunft begegnen zu können. Einschränkungen bei den Wirkstoffen haben auch eine schnellere Bildung von Resistenzen zur Folge. Plank weist auch auf eine Entwicklung hin, die intern hohe Standards verlangt, die eine Produktion im Inland verkomplizieren und unwirtschaftlich machen, mit der Folge, dass die heimische Produktion leidet. Statt dessen müssen Produkte importiert werden, die aber auch nicht nach diesen hohen Standards erzeugt wurden.
Wirkstoff-Kahlschlag gefährdet Sicherheit der Nahrungsmittel
Aufgrund der teuren und langwierigen Entwicklung von Wirkstoffen (11–13 Jahre) sowie dem mehrstufigen Zulassungsverfahren auf EU-Ebene ist es nicht möglich, Wirkstofflücken rasch zu schließen. Christian Stockmar, Obmann der IGP: „Die Breitband-Bürokratie und das zunehmend strengere Zulassungsverfahren erschweren Innovationen im Pflanzenschutzbereich. Weil Polemik und politische Kurzsichtigkeit im politischen Entscheidungsprozess schwerer wogen als wissenschaftliche Fakten, kam es zu einigen Wirkstoffverboten. Aber der Wegfall von Wirkstoffen gefährdet nicht nur die Sicherheit unserer Ernährung, sondern auch die Versorgungssicherheit mit gesunden und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln.“ Stockmar unterstreicht, dass der risikobasierte Ansatz und das mehrstufige Zulassungsverfahren von Wirkstoffen eine ausreichende Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt gewährleisten, da ohnehin eine Vielzahl von Studien und Analysen im Labor, im Glashaus und am Feld durchgeführt werden.
Quelle: Edith Kaiser