Pflanzenschutz

Experten weisen auf gravierende Fehler in NGO-Pestizid-Studie hin

Ein Artikel von Redaktion | 21.09.2021 - 18:17

Die von der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) und Global 2000 initiierte Studie Pestizide im Schlafzimmer – Stichprobenuntersuchung von Haustaub aus 21 EU-Staaten sorgt in Fachkreisen für Aufregung. Die fragwürdige Methodik der Studie und unzulässige Schlussfolgerungen werden kritisiert.

Mangelnde Aussagekraft und falsche Umrechnungen

"Die vorliegende Publikation beinhaltet unter anderem Umrechnungsfehler, welche die Ergebnisse dramatisch erscheinen lassen. Auch das Forschungsdesign entspricht bei Weitem nicht den wissenschaftlichen Standards, die etwa Industriestudien erfüllen müssen. So wurde nur eine einzige Probe in Österreich gezogen, aus der dann Rückschlüsse auf ganz Österreich abgeleitet werden", kritisiert der Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), Christian Stockmar. "Die Industrie reicht für einen Wirkstoff ein Dossier mit bis zu 50.000 Seiten ein, das umfassende Studien und Analysen beinhaltet. Diese müssen die Sicherheit eines Wirkstoffs bei einer den Auflagen entsprechenden Anwendung nachweisen können, damit er zugelassen wird", gibt der Obmann zu bedenken.

Ein besonders gravierender Fehler in dem NGO-Papier ist bei der Umrechnung der erhobenen Pestizidwerte passiert: Auf Seite 10 behaupten die Studienautoren: "Die höchste Pestizidbelastung (gemessen an der Gesamtmenge der nachgewiesenen Wirkstoffe) lag bei 4.942 mg/kg (Dänemark)." Tatsächlich wurden laut Tabelle 4.942 ng/g gemessen. Bei der Umrechnung von Nanogramm auf Milligramm wurde also im Text das Millionenfache des tatsächlich gemessenen Werts angegeben.

Obstbauern setzen auf verlustarme Sprühtechnik

Die einzige österreichische Probe, die in dieser Untersuchung ausgewertet wurde, stammt aus einem Intensivobstanbaugebiet. Auch hier geben die Experten zu bedenken, dass das Ergebnis keinesfalls repräsentativ für das ganze Land sein könne. Der Bundesobstbauverband (BOV) wiederum weist darauf hin, dass in dem ORF-Bericht, in welchem die Studie vorgestellt wurde, eine veraltete, nicht mehr zeitgemäße Pflanzenschutztechnik gezeigt wurde. "Die Zukunft ist die verlustarme Sprühtechnik, sie findet immer größere Verbreitung im Obstbau. Eine spezielle Düsenbestückung in Verbindung mit einer optimierten Gebläseluftsteuerung sorgt für eine nachhaltige Verminderung von Pflanzenschutzmittel-Einträgen auf Nicht-Zielflächen. Die Abdrift kann dadurch um mehr als 90% reduziert werden", wird betont. Der BOV bemüht sich, dass diese Technik noch breitere Verwendung in der Praxis findet. Dazu wäre es wichtig, sie in die Investitionsförderung der Ländlichen Entwicklung zu integrieren.

Fragwürdige, intransparente Methodik

Experten der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich äußern auch generelle Bedenken gegen die Methodik dieser Untersuchung. Es sei unseriös, Proben unter nicht definierten Entnahmebedingungen zu ziehen und aus einer einzigen Probe Rückschlüsse auf die Situation eines gesamten Landes zu ziehen. Außerdem treffe das in der Studie zugrunde gelegte Szenario auf die meisten Wohnungen und Wohnflächen in Österreich nicht zu, weil die Probe unmittelbar neben einer landwirtschaftlichen Nutzfläche gezogen wurde.

Grundsätzlich sei festzuhalten, "dass die Bäuerinnen und Bauern selbst größtes Interesse an der Sicherheit ihrer Betriebsmittel und an der Qualität der von ihnen erzeugten Lebensmittel haben. Landwirte in Österreich arbeiten unter strengsten Auflagen. Für den Erwerb und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müssen sie eine spezielle Ausbildung absolvieren. Geräte, mit denen sie Pflanzenschutzmittel ausbringen, müssen regelmäßig überprüft werden", so die LK-Experten. Sie verweisen darüber hinaus auf die höchst aufwendigen, mehrstufigen und strengen Pflanzenschutzmittelprüf- und -zulassungsverfahren der europäischen und nationalen Gesundheitsbehörden. Einschlägige LKÖ-Projekte und regelmäßige Proben der AGES zeigten überdies, dass es in Österreich im Allgemeinen keine bedenklichen Rückstände und Belastungen von Erntegut gibt.

"Das vorgelegte NGO-Papier ist ein verwerfliches Spiel mit der Angst der Menschen. Tatsächlich soll hier eine Kampagne befeuert und kein Beitrag zu einem sachlichen und wissenschaftsbasierten Diskurs geleistet werden", fasst Stockmar die Kritik an der Studie zusammen. Nichtsdestotrotz will sich Global 2000 gemeinsam mit der Bürgerinitiative für eine "pestizidfreie Landwirtschaft in der gesamten EU" einsetzen. 

Quelle: aiz.info